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Im Interview mit Tierwirtschaftsmeister Andreas Smietana: „Meine Planung schützt mich vor Unfällen und Überlastung“

21.06.2022

Vergrößerung des Bildes für Portrait von Tierwirtschaftsmeister Smietana.
Tierwirtschaftsmeister Andreas Smietana

Andreas Smietana ist Schäfer in der dritten Generation. Er hat seinen Beruf nie in Frage gestellt. In den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf sind er und seine Ehefrau Kerstin verantwortlich für 250 Merinolandschafe mit Lämmern. Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Selbstfürsorge sind ihnen dabei sehr wichtig.

Herr Smietana, Schafe wirken auf den ersten Blick freundlich und kuschelig. Welche Eigenschaften prägen diese Herdentiere; was ist im Umgang mit ihnen zu beachten?

Schafe sind friedliebende Herdentiere. Ein Schafbock macht aber durchaus seinen Anspruch und seine Rangordnung deutlich, indem er sich vor seine Herde stellt. Auch Mutterschafe werden immer versuchen, ihre Lämmer zu schützen. Die Tiere sind deswegen nicht aggressiv. Sie folgen ihrem Instinkt und geben dabei deutliche Signale. Wenn ein Tier mit den Vorderbeinen aufstampft und den Kopf senkt, drückt es damit aus: „Hey, ich mag das nicht! Komm mir nicht zu nahe.“ Es ist die Aufgabe des Schäfers, die Anzeichen richtig zu deuten und umsichtig zu agieren.

Wie sieht das richtige Verhalten in so einem Fall aus?

Soweit sollte es gar nicht kommen. Besser ist es, sich den Tieren grundsätzlich ohne Hektik und selbstbewusst zu nähern, den Schafbock und die Mutterschafe bei der Arbeit im Blick zu behalten und eine Distanz zu wahren, so dass die Tiere entspannt bleiben. Ein Schafbock wird immer versuchen, einen Angriff zu vermeiden, wenn der Mensch den passenden Abstand einhält. Muss ich nahe an einzelne Tiere heran, etwa zum Separieren, bereite ich mich vor und nutze zum Beispiel Gatter. Ist es trotz aller Vorsicht zu einer angespannten Situation gekommen, entferne ich mich möglichst ruhig und langsam. Ich beobachte das Tier dabei. Wenn möglich nutze ich Hecken oder Bäume als Schutz.

Das Bild des Schäfers oder der Schäferin weckt Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Machen sich die Menschen falsche Vorstellungen von diesem Beruf?

Ohne Naturverbundenheit und Tierliebe geht es natürlich bei uns nicht. Trotzdem leben wir aber in der Gegenwart. Früher war nicht alles besser. Ältere Schäfer erinnern sich an ihr entbehrungsreiches, einsames Leben im kalten, nassen Schäferkarren ohne Heizung. Da lässt die Romantik schnell nach. Solche Probleme haben wir heute nicht. Wir stehen mit beiden Beinen fest im Leben. Laptop und Smartphone gehören zu unserem Beruf und zu unserem Leben. Wie jeder Unternehmer organisieren wir unseren Büroalltag. Verändert haben sich auch die Rahmenbedingungen unserer Arbeit. Die Besiedelung ist dichter, das Verkehrsaufkommen viel höher. Wir haben dadurch deutlich mehr Verantwortung zu tragen und müssen vorausschauend planen. Zum Beispiel als Verkehrsteilnehmer, wenn wir Straßen oder Schienen kreuzen müssen. Rechtzeitige Absprachen mit der Straßenmeisterei oder der Polizei, damit Verkehrswege für diese Zeit gesperrt werden, sind die beste Lösung. Wenn es schnell gehen muss, dann hilft uns das Handy sehr. Auch wenn wir sehr kurzfristig einen Tierarzt brauchen. Mit dem Handy kann ich alle Ansprechpartner schnell anrufen oder anschreiben. Umgekehrt sind auch wir gut erreichbar. Nach wie vor müssen Schäfer schwere Arbeit leisten. Aber Hilfsmittel, wie zum Beispiel Behandlungseinrichtungen, bei denen die Arbeitshöhe angepasst werden kann, erleichtern Tätigkeiten wie die Klauenpflege sehr. In den Ställen müssen die Futterbändern nicht mehr von Hand befüllt werden. Das übernimmt der Futtermischwagen. Der Hoflader ersetzt heute oft die Schubkarre. So arbeiten wir gesünder, effizienter, wirtschaftlicher und können unseren Beruf länger ausüben.

Vergrößerung des Bildes für Eine Schafherde überquert eine Straße. Ein Mann in Warnweste steht zur Absicherung vor wartenden Autos.

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten muss man haben, um für den Beruf geeignet zu sein?

Grundsätzlich müssen sich Schäfer – wie alle Tierhalter – stets bewusst sein, dass Tiere nur Rechte haben. Sie beschäftigen ihre Halter rund um die Uhr. Schäfer müssen die Grundversorgung der Tiere jederzeit sicherstellen und sich auskennen in der Tierzucht und der Vermarktung. Sie müssen die Gesundheit der Tiere fördern und Krankheiten erkennen. Die Tiere sind auf mich angewiesen, ich muss die Haltungs- und Fütterungsbedingungen schaffen, die dem Tier gerecht werden. Dazu muss man Tiere wirklich lieben. Ich kann meine Schafe nicht einfach im Stich lassen, wenn Probleme auftreten. Die beste Voraussetzung, um diese Aufgabe zu bewältigen, ist eine Ausbildung zum Tierwirt mit Schwerpunkt Schafhaltung und die ständige Weiterbildung über Fachliteratur und Fortbildungen. Daneben braucht es Geduld, Ausdauer, Verantwortungsgefühl und Belastbarkeit.

Ist die Schafhaltung eine Männerdomäne?

Eine gute körperliche Konstitution ist hilfreich, aber nicht entscheidend. Viele Frauen führen erfolgreich Betriebe. Ihr Organisationstalent und ihre Weitsichtigkeit sind bemerkenswert.

Warum ist gute Planung so wichtig?

Organisation und Planung zahlen sich aus, weil sie vor Arbeitsunfällen und Überlastung schützen. Ich muss die möglichen Risiken einer Tätigkeit abschätzen, bevor ich mit der Arbeit beginne und überlegen, was kann ich selber machen, was vergebe ich an externe Dienstleister. Das Klauenschneiden und die Schur müssen zum Beispiel sehr zügig und routiniert gemacht werden, um das Tierwohl zu gewährleisten. Das kann ich alleine nicht leisten und hole mir deshalb Helfer.

Welche Risiken gehen mit Ihrem Beruf einher, woran wird mitunter häufig nicht gedacht?

Unfälle ergeben sich vor allem durch Stolpern oder Ausrutschen auf dem natürlichen Boden .Mitunter rennen die Tiere den Schäfer auch um, wenn sie vor etwas flüchten. Weitere Risiken sind Zecken und im Stall das Hantavirus. Wanderschäfer sind der Witterung sehr stark ausgesetzt. Beim Klauenschneiden, Schlachten und Scheren kann es zu Schnittverletzungen kommen, wenn keine oder nicht die richtigen Schutzhandschuhe getragen werden. Nicht immer bedenken Schäfer, wie wichtig Selbstfürsorge und Verantwortung sich selbst gegenüber sind. Gerade einzelne Schäfer, die als Privatunternehmer arbeiten, überfordern sich. Dabei ist es wichtig, die Betriebsabläufe so zu strukturieren, dass man gesund bleibt. Ich muss außerdem einen Notfallplan haben, der greift, wenn mir etwas passiert. Ich muss wissen, wie es dann mit meinen Schafen weitergeht. Die Tiere müssen ja weiter versorgt werden.

Wie schützen Sie sich vor Unfall- und Gesundheitsgefahren?

Das ergibt sich individuell aus der Gefährdungsbeurteilung. Für mich ist Wetterschutz sehr wichtig. Je nach Witterung trage ich zum Beispiel Hut, Poncho, Regenmantel und auf jeden Fall leichte, wasserabweisende, knöchelhohe Sicherheitsschuhe. Gegen UV-Strahlung trage ich langärmlige Staubhemden und nutze Sonnencreme. Gegen FSME bin ich geimpft.

Zum Bild von Schäfer und Herde gehört auch ein Hund. Wie wichtig ist der Hütehund?

Sehr wichtig. Meine Schäferhunde und ich, wir sind ein Team. Jeder hat seinen eigenen, besonderen Charakter und besondere Stärken. Ein älterer Hund hat ganz andere Qualitäten als so ein Jungspund. Mit Hund ist man nie alleine. Schäfer und Hund sind eine wahnsinnig lange Zeit zusammen. Der Hund muss zum Schäfer passen. Er sollte den Schäfer spiegeln. Manche mögen sehr aktive Hunde, andere eher ruhigere. Der Hund muss genauso wetterfest und geeignet für seine Arbeit sein wie der Schäfer. 

Es ist ein seltenes Erlebnis, einem Schäfer oder einer Schäferin mit Herde zu begegnen. Droht der Beruf auszusterben oder ist der Nachwuchs gesichert? Wo werden Schäfer eingesetzt?

Ich denke, in den nächsten Jahren werden mehr Schäfer aufhören, als nachkommen. Ob der Beruf ausstirbt, das sei dahingestellt. Die Weidetierhaltung ist weltweit eine wichtige Grundlage der Lebensmittelproduktion. Bei uns ist darüber hinaus die Landschaftspflege ein großes Thema. Diese Schäfer haben strenge Regeln einzuhalten und müssen sich in Landschaftsschutzfragen sehr gut auskennen. Truppenübungsplätze werden beweidet, um die Brandgefahr gering zu halten.