Baumbeurteilung
Jeder Baum ist individuell in seiner Merkmalsausprägung, kein Baum ist wie der andere. Die Baumbeurteilung ist deshalb die wichtigste Maßnahme vor der Fällung. Sie ist die Gefährdungsbeurteilung des Motorsägenführers. Hier finden Sie alle wichtigen Informationen für die fachkundige Begutachtung des zu fällenden Baumes.
Eine fachkundige Begutachtung des zu fällenden Baumes ist grundlegend für die Arbeitssicherheit. Die sog. Ansprache, also das Erkennen und Einschätzen der relevanten Baummerkmale, hat das Ziel festzustellen, wie der Baum am sichersten gefällt werden kann und welche Folgen es für das Umfeld haben könnte. Als Ergebnis legt der Motorsägenführer Arbeitsweisen und -methoden fest, um das Unfallrisiko so weit wie möglich zu reduzieren.
Die Baumbeurteilung schafft Klarheit zu Fragen wie:
- Wie ist der Baum zu fällen (Technik, Arbeitsmethode)?
- Wohin kann/soll der Baum gefällt werden?
- Was ist bei gegebener Baum-Standort-Situation mit den vorhandenen Arbeitsmitteln technisch möglich?
- Mit welchen Gefährdungen ist dabei zu rechnen, auch für das Umfeld?

Baummerkmale
Um die Gesamtsituation eines Baumes angemessen einzuschätzen bzw. beurteilen zu können, haben sich bestimmte Baummerkmale bewährt, die je nach Baumart unterschiedlich in ihrer Bedeutung für die Arbeitssicherheit bzw. das Unfallrisiko sein können. Die Baummerkmale sind:
- Baumhöhe
- Baumkrone
- Äste
- Stammverlauf
- Gesundheitszustand
- Stammdurchmesser
- Nachbarbäume, Umgebung
Zu beurteilende Baummerkmale
Baumhöhe
Die Höhe des zu fällenden Baumes ist eines der wichtigsten Baummerkmale. Die Baumhöhe muss vor Beginn der Fällarbeiten bekannt sein, damit der abzusichernde Fallbereich – doppelte Baumlänge – bestimmt werden kann. Der erforderliche Sicherheitsabstand zu Teamkollegen und zu schützenden Objekten wie Stromleitungen und Bauwerken kann nur mit Kenntnis der Baumhöhe hinreichend festgelegt werden.
Bestehen Zweifel, ist eine verlässliche Einschätzung der Baumhöhe denkbar einfach. Sie kann mit Hilfe der sogenannten „Stockpeilung“ erfolgen. Dabei wird ein gerader Stock zu Hilfe genommen, dessen Länge der Abstand bis zum Peilauge ist. Sodann wird mit ausgestrecktem Arm durch Veränderung des Standortes der Stammfuß und der Baumwipfel mit den Stockenden in Übereinstimmung gebracht. Zu dieser Position kommt noch die Augenhöhe hinzu, sodass noch zwei bis drei große Schritte nach hinten zu gehen sind.
Baumkrone
Die Form der Baumkrone entscheidet maßgeblich über die Schwerpunktlage des Baumes. Bei den gleichmäßig beasteten Nadelbaumarten wie beispielsweise Fichte und Tanne ist die Beurteilung der Krone daher vergleichsweise einfach.
Demgegenüber ist im Laubholz die Krone sehr variabel und bedarf einer sorgfältigsten Beurteilung. Zudem ist eine hinreichende Beurteilung von Laubholzkronen im belaubten Zustand während der Vegetationsperiode kaum möglich. Totholzäste und auch die Schwerpunktlage können nicht sicher angesprochen werden.
Gesundheitszustand und Vitalität
Die Vitalität von Laubbäumen ist in der Vegetationsperiode anhand des Belaubungszustandes gut beurteilbar. Absterbende Laubbäume sollten daher im Laub als solche identifiziert und markiert werden, um sie dann im laublosen Zustand wieder erkennen zu können.
Für das Ansprechen und Beurteilen der Baumkrone bedeutsam sind:
- Krone möglichst allseitig aus ausreichender Entfernung begutachten
- Zwiesel, Starkäste, Kronensymmetrie und Gewichtsverteilung
- Abgestorbene Äste und Kronenteile
- Gesundheitszustand und Vitalität
Äste
Äste sind besonders sorgfältig anzusprechen, da beispielsweise ein stärkerer Astkontakt zu Nachbarbäumen von vornherein erkennbar ein Zufallbringen des Baumes verhindern kann. Zudem kann es bei ausladenden Ästen beim Fall des Baumes zu einem Zurückschleudern von Ästen und Baumteilen der Nachbarbäume kommen. Auch der Kontakt bzw. das Anschieben und Lösen von stehendem Schadholz im Umfeld der Fällung gilt es dabei im Blick zu haben.
Stammverlauf
Bei der Ansprache und Beurteilung des Stammverlaufs ist, wenn immer möglich, eine allseitige Begutachtung aus übersichtlicher Entfernung vorzunehmen.
Dabei sind vorrangig folgende Gesichtspunkte bedeutsam:
- Schwerpunktlage zum Stammfuß und zur geplanten Fällrichtung
- Risse, Beschädigungen, Veränderungen am Stamm
- Wahl der Rückweiche und des Rückweichplatzes
Gesundheitszustand
Der Gesundheitszustand des Baumes entscheidet darüber, wie der Baum am sichersten zu schneiden ist. Auch die einzusetzenden Arbeitsmittel und -methoden, ob zum Beispiel eine seilwindenunterstützte Fällung durchzuführen ist, wird durch den Gesundheitszustand maßgeblich bestimmt. Dabei sind folgende Baummerkmale hervorzuheben:
- Schäden am Stammfuß, Rindenschäden, offengelegtes Holz
- Vitalitätszustand bei problematischen Baumarten
- Anzeichen für Fäule

Achtung!
Ist Fäule erkennbar, muss ein seitliches Beischneiden der Wurzelanläufe unbedingt unterbleiben. Gegebenenfalls sind die Schnitte höher anzulegen. Ein senkrechter Prüfschnitt fallkerbseitig oder in die Rückseite des Stammfußes kann Auskunft über den Gesundheitszustand im Inneren des Stammes geben.
Nachbarbäume und Umgebung
Eine Beurteilung möglicher Reaktionen im Umfeld der Fällung ist vor Beginn der Fällarbeiten im Rahmen der Baumbeurteilung durchzuführen.
Hierbei sollten u. a. folgende Aspekte beachtet werden:
- Stärke des Kontakts zu Bäumen im Bereich der Fällrichtung
- Mögliches Umreißen von Nachbarbäumen
- Hindernisse im Bereich der Fällrichtung, die hochschleudern oder den Baum ausschlagen lassen können
- Reaktion stehenden Totholzes durch Kontakt oder Erschütterung des fallenden Baumes